Aus Amerika und Australien schwappt ein Trend nach Europa: vaginal seeding (VS). Das Beimpfen von Kaiserschnitt Babys mit Vaginalsekret der Mutter. Wieder so ein verrückter Hype aus Übersee, oder ist etwas dran?
Der Hintergrund: wir wissen schon lange, dass die Scheidenflora ein wahres Biotop für Bakterien aller Art sind. Allen voran s.g. Laktobazillen, Prevotella und Fusobakterien. Diese wiederum sind ein gutes Beispiel dafür, dass das Wort Keim oder Bakterium nicht nur negativ konnotiert werden sollte. Wir bestehen viel mehr aus Bakterien, als aus Mensch. Ohne unsere Millionen Bakterien in und an uns gäbe es die Spezies Mensch schon lange nicht mehr. Aber wie kommen wir an diese nützlichen Keime dran? Ebay? Amazon? Einfacher und ohne Porto. Fast 30 % der für das Kind nützlichen Bakterien stammen aus der Muttermilch, weitere 10 % von der Haut der Mutter.
Was wir außerdem schon lange wissen: Laktobazillen sind nicht nur wichtig für das neugeborene Immunsystem, sondern auch für die Darmflora, welche sich besonders erst durch diese Keime entwickeln und spezialisieren kann. Bei einer vaginalen Geburt wird das Kind also erstmal durch einen Schlauch voll Doping Mittel gedrückt. Tolle Sache. Aber was ist mit Kaiserschnitt Kindern? Die gab es in den letzten Jahrzehnten immer häufiger und die meisten sind doch auch gesund. Stimmt. Aber seither nehmen auch Autoimmunerkrankungen und Allergien, Diabetes Typ I und Adipositas zu. Rein evolutionsbiologisch macht VS Sinn. Millionen Jahre wurde das Scheidensüppchen verfeinert und optimiert. Das Gleiche gilt ebenso für Muttermilch. Das Prinzip bei der Spontangeburt gilt ebenso für den Kaiserschnitt: Die Mutter "beimpft" ihr Kind nach der Kaiserschnitt Geburt mit ihrem vaginalem Sekret und sorgt so für perfekte Voraussetzungen für ein gesundes Leben. Kritiker mahnen vor der möglichen Übertragung von Krankheitserregern, die die Mutter asymptomatisch in der Scheide tragen kann und dem Kind schaden könnten. Dazu gehören die Gruppe-B-Streptokokken, das Herpes-simplex-Virus, Chlamydia trachomatis und Neisseria gonorrhoeae. In der Theorie nachvollziehbar, doch gilt das dann entsprechend auch für jede vaginale Geburt. In Deutschland können sich Schwangere auf solche Erreger testen lassen. Wenn man sich für vaginal seeding entscheidet sollte man unmittelbar zuvor keine Antibiotikatherapie durchlaufen haben und auch auf die Scheidendesinfektion vor OP - wie sie in manchen Kliniken praktiziert wird - sollte verzichtet werden.
Meine persönliche Meinung ist: Die Theorie hinter der VS Methode ist ziemlich plausibel und bio...logisch (Achtung Wortwitz). Die Vorteile liegen auf der Hand. Momentan laufen einige Studien, die das Thema vaginal seeding bearbeiten. Auf die endgültigen Ergebnisse darf man gespannt sein. Ob man bis zur endgültigen faktischen Datenlage dieser Studien schon vaginal seeding machen sollte, muss jedes Paar selbst entscheiden und vorher mit der entsprechenden Geburtsinstitution klären. Aufpassen sollte man, wenn Kliniken mit vaginal seeding "werben", um den Anschein zu suggerieren "up to date" zu sein. Ohne entsprechende Studienergebnisse und den Nachweis "es hilft" schwarz auf weiß zu haben finde ich jede Werbung dafür unethisch.
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