Sprechen wir über Männer. Und sprechen wir über Männer im Kreißsaal. Wir Männer sind sehr spezielle Wesen. Das liegt daran, dass wir belastet sind. Die harte Schule der Evolution hat uns hervorgebracht, die moderne Gesellschaft geformt. Die Symbiose der Instinkte eines Neandertalers mit den metrosexuellen Verhaltensweisen der Neuzeit ist weiterhin eine Art Experiment. Manchmal kollidieren diese zwei Wesen eines Mannes. Oft passiert das im Kreißsaal. Ich wurde neulich gefragt, ob sich meine Sichtweise auf die werdenden Väter geändert hätte seit der Geburt meiner Tochter und des Vatersein. Ich habe geantwortet, dass ich mein Herz für die Männer neu gefunden habe. Und das ist wahr. Wir haben es nicht immer leicht, zugeben würden wir das nie. Beschweren tun wir uns dennoch.
Wir Männer hassen Kontrollverlust. Wir hassen Verunsicherung. Wir stehen nicht gerne nur daneben. Wir wollen handeln können, im Mittelpunkt stehen und Weisheit. Oh, wir lieben Weisheit. Vor allem im Alter!
Wir haben auch einen Urinstinkt, eingebrannt in unsere Gene. Wir möchten für die Herde sorgen, sie beschützen, ihnen helfen. Wenn nötig mit dem Einsatz unserer Gesundheit. Manch harter Kerl geht aus Liebe zu seiner Tochter bei 8° C und Dauerregen zwei Stunden auf den Spielplatz. Ohne! Regenjacke. Ein Teufelskerl. Ehrlich wahr. Selbst erlebt!
Der Kreißsaal ist der Inbegriff der Hilflosigkeit eines Mannes. Verunsichert zuschauen wie die Frau Schmerzen erträgt, keine Ahnung haben was gerade passiert und was passieren wird. Hilflos daneben stehen ohne Kontrolle über die Situation. Der Kreißsaal ist sein persönlicher Mount Everest. Hier kommen wir an unsere Grenze. Sowohl der Neandertaler, als auch unser metrosexuelles Ich.
Das ist genau der Moment an dem die oben genannte gescheiterte Symbiose zu Tage tritt. Wir Männer dekompensieren. Hilflosigkeit und Verunsicherung brauchen ein Ventil. Wir entwickeln unterbewusste Strategien um unserer Lage wieder Herr zu werden. Leute, ich liebe diese Strategien.
Ich durfte sie so oft beobachten und hier sind meine (natürlich etwas überspitzten) fünf Favoriten von Typ Mann unter Geburt. Männer, ich liebe euch!
Der ängstliche Mann: hat permanent ein apokalyptisches Szenario vor Augen. Murphys Gesetz ist seine Bibel. Er läuft rastlos im Kreißsaal auf und ab und bewertet CTG und Geburtsverlauf minuziös. Er scheut sich auch nicht alle vier Minuten einen Geburtshelfer zur Rate zu ziehen und sich über den aktuellen Stand der Dinge und die Prognose seiner Frau zu erkundigen.
Der aggressive Mann: Der Hahn hat seinen Kamm, der Pfau seine Federn. Er hat Blicke und Worte. Breitschultrig läuft er durch die Flure und lässt dabei Dinge und Menschen, die ihm entgegenkommen mit seinen Blicken in Flammen aufgehen. „Meine Frau hat Schmerzen!!“ „Wie lange dauert das denn noch?!“ schmettert er einem mit seiner vibrierenden Baritonstimme entgegen.
Der devote Mann: Ist zumeist in einer dunklen Ecke des Kreißsaals vorzufinden. Hier empfiehlt es sich sachte vorzugehen und gemächlich zu sprechen um ihn nicht unnötig zu verschrecken. Sein rastloser Blick ist zumeist auf den Boden gerichtet, ein abrupter verunsicherter Blick zur Liebsten gibt ihm im sekundenbruchteil alle nötige Informationen über das Wohlergehen seines Weibchens bevor er sich wieder leise in die dunkle Ecke zurückzieht.
Der coole Mann: Ist sich nicht zu schade einen unpassenden Witz nach dem anderen auf seine unfreiwilligen Hörerschaft abzufeuern. Fremdscham ist seine Währung. Sorge und Angst werden gekonnt im Chauvinismus ertränkt. Die stundenlang überspielten wahren Emotionen äußern sich meist nach Geburt des Kindes in jaulendem Geheul samt Kollaps und Liebesbekundungen an das gesamte Team.
Der informierte Mann: Er ist vielleicht die gelungene Symbiose. Er vereint alle Strategien. Er ist ängstlich genug um Respekt vor diesem Wunder der Geburt zu haben, aggressiv genug um seine Frau zu motivieren und dem betreuendem Team immer wissen zu lassen „Ich passe auf!“ ohne laut werden zu müssen. Cool genug, weil er zu jeder Zeit weiß was passiert und passieren wird und devot genug um seiner Frau die Rolle der Protagonistin zu überlassen und sie nach bestem Wissen zu unterstützen und zu helfen.
Erst nach der Geburt meiner Tochter kam ich auf die Idee einen online Geburtsvorbereitungskurs allein für Männer zu machen. Erst nach dieser Geburt konnte ich verstehen, was auch wir Männer durchmachen und wie sehr es helfen kann, wenn man informiert ist. Sie gibt Sicherheit. Sie nimmt Ängste. Aber wir brauchen es auch direkt und kompakt. Nicht zu lang und nicht zu kurz. Komprimiertes Wissen über all die Dinge rund um Geburt. Von der ersten Wehe, bis hin zur ersten Windel.
Wir Männer sind sehr speziell, geben uns oft unnahbar und bretthart. Eigentlich wollen wir nur Sicherheit. Sicherheit und Schutz. Für euch!
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